Neue Vergütungsregulierung für Wertpapierinstitute

Am 11. Januar 2024 wurde die neue Wertpapierinstitutsvergütungsverordnung (WplVergV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Nach zwei Entwürfen in den Jahren 2021 und 2022 setzt die finale Verordnung nun die Regelungen der europäischen Richtlinie über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen ((EU) 2019/2034; sog. Investment Firm Directive (IFD)) sowie die Leitlinien, die von der European Banking Authority (EBA) entwickelt wurden, um.

Die WplVergV orientiert sich maßgeblich an der Institutsvergütungsverordnung (IVV). Dies betrifft sowohl die gesetzlich normierten Regelungen als auch die gesetzgeberische Intention, Anreize für ein erfolgsorientiertes und zugleich risikobewusstes Verhalten der Mitarbeiter zu setzen. Trotz eines an vielen Passagen erkennbaren Gleichlaufs mit der IVV, sieht die WplVergV auch eine Vielzahl von Erleichterungen für die mittleren Wertpapierinstitute im Hinblick auf die Vergütungssysteme vor. Auch wenn seit Beginn der Konsultation des vorangegangenen Entwurfs über ein Jahr verstrichen ist, weist die WpIVergV im Vergleich zu dem Entwurf aus 2022 nur sehr wenige, meist nur redaktionelle, Änderungen auf.

Der folgende Beitrag beleuchtet die wesentlichen Aspekte der WplVergV hinsichtlich ihrer Anforderungen an die variable Vergütung und deren Angemessenheit und zieht einen Vergleich zu den vorangegangenen Entwürfen.

1. Anwendungsbereich

Bei einer Betrachtung des Anwendungsbereichs lassen sich im Vergleich zum letzten veröffentlichten Entwurf der WplVergV keine Veränderungen feststellen. Die Verordnung ist auf sog. mittlere Wertpapierinstitute (vgl. § 2 Abs. 17 Gesetz zur Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (WpIG)) sowie auf übergeordnete Unternehmen beschränkt.

Im Gegensatz zur IVV, welche allgemeine Regelungen für alle Mitarbeiter und besondere Vorgaben für sog. Risikoträger vorsieht, ist der Anwendungsbereich der WplVergV auf Letztere begrenzt. Nach § 2 Abs. 2 WplVergV sind sämtliche Geschäftsleiter sowie sämtliche Mitarbeiter, deren berufliche Aktivitäten sich wesentlich auf das Risikoprofil der Wertpapierinstitute oder der von diesen verwalteten Vermögenswerten auswirken, als Risikoträger einzustufen. Sie sind durch eine Risikoanalyse eigenverantwortlich durch die Wertpapierinstitute zu identifizieren, wobei die quantitativen und qualitativen Kriterien der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2154 der Kommission vom 13. August 2021 maßgeblich sind (vgl. § 3 WplVergV).

2. Angemessenheit der Vergütung

Die Angemessenheit der Vergütung und der Vergütungssysteme ist in § 6 WplVergV normiert, welcher an den Regelungsinhalt der IVV angelehnt ist. Die WplVergV basiert, ebenso wie die IVV, auf den Grundsätzen einer soliden Vergütungspolitik. Dies beinhaltet beispielsweise die Vermeidung von Anreizen zur Eingehung unverhältnismäßiger Risiken, kein Zuwiderlaufen der Überwachungsfunktion der Kontrolleinheiten, Minderung der variablen Vergütung bei negativen Erfolgsbeiträgen und Grundsätze für die Behandlung von Abfindungen und Karenzentschädigungen.

Trotz der Angleichung der beiden Vergütungsregelungen sind auch Abweichungen festzustellen. Insbesondere geht die WplVergV im Gegensatz zu der IVV (entsprechende Erläuterungen finden sich nur in der Auslegungshilfe der BaFin) ausdrücklich auf die Höhe der fixen Vergütung ein (vgl. § 6 Abs. 1 WplVergV): 

  • Die fixe Vergütung spiegelt im Wesentlichen die einschlägige Berufserfahrung und die organisatorische Verantwortung im Unternehmen wider, wie sie als Teil des Arbeits- oder Anstellungsvertrages in der Tätigkeitsbeschreibung der Risikoträger festgelegt ist.
  • Die variable Vergütung wiederum soll die nachhaltige und risikobereinigte Leistung der Risikoträger widerspiegeln sowie die Leistungen honorieren, die über die Tätigkeitsbeschreibung der Risikoträger hinausgehen.

Die von den Wertpapierinstituten entwickelten Vergütungssysteme gelten gemäß § 6 Abs. 1 WplVergV unter anderem dann als angemessen ausgestaltet, wenn deutlich zwischen fixer und variabler Vergütung unterschieden wird und die beiden Vergütungsbestandteile den oben genannten Voraussetzungen entsprechen.

Darüber hinaus sieht die WpIVergV ähnliche Regelungen in Bezug auf Abfindungen und Karenzentschädigungen sowie Halteprämien wie die IVV vor.

3. Anforderungen an die variable Vergütung

Die Vorgaben an die variable Vergütung wurden, ausgehend von dem letzten veröffentlichten Entwurf, teilweise abgeändert. Während es bei den allgemeinen Vorgaben nur zu geringfügigen Änderungen kam, erfuhren die besonderen Vorgaben ein paar inhaltliche Anpassungen im Vergleich zu den ersten beiden Entwürfen der Verordnung.

3.1 Verhältnis zwischen variabler und fixer Vergütung

Wertpapierinstitute haben ein angemessenes Verhältnis zwischen der variablen und fixen Vergütung der Risikoträger sicherzustellen. Hierbei zu berücksichtigen sind die Geschäftstätigkeit des Wertpapierinstitutes, die damit einhergehenden Risiken sowie der Einfluss, den die konkreten Risikoträger auf das Risikoprofil der Wertpapierinstituts sowie auf die von diesem verwalteten Vermögenswerte haben. Es bleibt damit dabei, dass die WpIVergV – anders als die IVV – keine Obergrenze für das angemessene Verhältnis (sog. Bonuscap) vorsieht. 

Garantierte variable Vergütungen sind nur ausnahmsweise für das erste Anstellungsjahr zulässig. Sog. Buy-Out Boni müssen im Einklang mit den langfristigen Interessen des Wertpapierinstituts stehen.

3.2 Leistungsbezug der variablen Vergütung

Die Höhe der variablen Vergütung bestimmt sich nach der Leistung und wird auf der Grundlage einer Bewertung der individuellen Erfolgsbeiträge des Risikoträgers (anhand finanzieller und nicht-finanzieller Parameter), der Erfolgsbeiträge des betroffenen Geschäftsbereiches und des Gesamterfolgs des Wertpapierinstituts ermittelt. Anders als noch im vorangegangenen Entwurf vorgesehen, wurde der maßgebliche Leistungsbemessungszeitraum verkürzt. Während im letzten Entwurf noch ein mehrjähriger Zeitraum für die Leistungsbewertung herangezogen werden sollte, muss dieser nun lediglich mehr als ein Jahr umfassen, so dass auch Leistungsbewertungszeiträume zwischen einem Jahr und zwei Jahren nunmehr den regulatorischen Anforderungen genügen. Die damit einhergehende gesteigerte Flexibilität, erlaubt es den Wertpapierinstituten den Bemessungszeitraum an die spezifischen Geschäftsrisiken anzupassen. Grundsätzlich hat zudem eine nachträgliche Leistungsbewertung des Risikoträgers zu erfolgen (§ 8 Abs. 1 WpIVergV). 

3.3 Instrumente und Zurückbehaltung 

Vergleichbar mit den Vorgaben der IVV müssen mindestens 50 Prozent der variablen Vergütung aus Instrumenten bestehen. Von dieser variablen Vergütung müssen wiederum mindestens 40 Prozent zeitverzögert über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren zeitanteilig geleistet werden, wobei sich dieser Anteil auf 60 Prozent im Fall einer besonders hohen variablen Vergütung erhöhen kann (§ 8 Abs. 4 WplVergV). Die Grenzwerte für eine besonders hohe variable Vergütung können vom Wertpapierinstitut in Eigenverantwortung festgelegt werden, dürfen jedoch den Schwellenwert von EUR 500.000 nicht überschreiten (§ 8 Abs. 5 WplVergV). Im Vergleich zu dem Entwurf aus 2022 wurde zudem in § 8 Abs. 4 WplVergV präzisiert, dass es einer nachträglichen Bewertung der ursprünglich ermittelten Leistung bedarf, bevor Ansprüche oder Anwartschaften auf zurückbehaltene Vergütungsteile nach Ablauf des jeweiligen Zurückbehaltungszeitraums entstehen können.

3.4 Malus / Clawback

Wertpapierinstitute haben gemäß § 8 Abs. 6 WplVergV eine Verminderung oder Rückzahlung der variablen Vergütung durch Malus- und Rückforderungsregelungen zu gewährleisten. Diese bestimmen sich nach von dem Wertpapierinstitut festgelegten Kriterien. Anders als noch im Entwurf vorgesehen, ist allerdings eine Minderung oder Rückzahlungsforderung von 100% der variablen Vergütung bei einem schwachen oder negativen Finanzergebnis des Wertpapierinstituts nicht mehr als Soll-Vorschrift vorgesehen, sondern hat „nur“ noch bei einer Verantwortlichkeit für bzw. Teilnahme an Aktivitäten im Hinblick auf erhebliche eingetretene Verluste sowie mangelnder Sachkunde und Zuverlässigkeit zu erfolgen. 

3.5 Ausnahmen

Auch die erstmals im zweiten Entwurf zur WplVergV vorgeschlagene Einführung einer sog. De-Minimis-Regelung wurde vom Gesetzgeber in den finalen Gesetzestext übernommen. Auf jährliche variable Vergütungen, die EUR 50.000 nicht überschreiten und nicht mehr als ein Viertel der jährlichen Gesamtvergütung des betreffenden Risikoträgers ausmachen, sind die Vorgaben bezüglich Auszahlung in Instrumenten, Deferral sowie Malus/Clawback nicht anzuwenden. Zudem kann von einer Anwendung der vorgenannten Regelungen abgesehen werden, wenn das Wertpapierinstitut eines der in § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG genannten Kriterien erfüllt. Somit sind Wertpapierinstitute, deren bilanzielle und außerbilanzielle Vermögenswerte gemessen am Durchschnitt der letzten vier vorangegangenen Geschäftsjahre nicht mehr als EUR 100 Millionen bzw. – bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – nicht mehr als EUR 300 Millionen betragen, nicht verpflichtet, die vorgenannten besonderen Auszahlungsregelungen zu beachten. Anders als noch im Entwurf angedacht, ist die BaFin nun auch nicht befugt, trotz Unterschreiten der Vermögenswertgrenze aus § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG, die Anwendbarkeit der Vorgaben zur Gewährung der variablen Vergütung aufgrund von Tätigkeit oder interner Organisation des Wertpapierinstituts einseitig anzuordnen.

4. Festsetzung der variablen Vergütung

Der Gesamtbetrag der variablen Vergütungen muss nach § 11 Abs. 1 WplVergV in einem formalisierten, transparenten und nachvollziehbaren Prozess unter angemessener und ihrem Aufgabenbereich entsprechender Beteiligung der Kontrolleinheiten festgesetzt werden. Die Ermittlung der Leistung, die als Basis des Bonus-Pools verwendet wird, muss alle Kategorien von bestehenden und zukünftigen Risiken sowie die Kosten der Aufbringung von Eigenmitteln und liquiden Vermögenswerten berücksichtigen. Dabei muss die variable Vergütung vor allem so ausgestaltet sein, dass sie die Fähigkeit des Wertpapierinstituts nicht beeinträchtigen, eine angemessene Ausstattung mit Eigenmitteln zu gewährleisten.

5. Governance

5.1 Verantwortlichkeiten, Dokumentations- und Überprüfungspflichten, Vergütungskontrollausschuss

Wie schon im Entwurf aus 2022 ist auch die finale Version der WplVergV in Bezug auf die Zuständigkeit der Geschäftsleitung für eine angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme für solche Risikoträger, die keine Geschäftsleiter sind, im Gleichlauf mit der IVV gestaltet. Für die Geschäftsleiter wiederum ist in diesem Zusammenhang das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan verantwortlich.

Die Dokumentations- und Überprüfungspflichten der WplVergV sehen vor, dass die Grundsätze der Vergütungssysteme in den Organisationsrichtlinien des Wertpapierinstituts zu dokumentieren sind. Ebenso sind Entscheidungen über variable Vergütung und deren Verteilung festzuhalten und die Vergütungssysteme sowie -parameter sind mindestens einmal pro Jahr in einer zentralen und unabhängigen internen Prüfung bezüglich ihrer Angemessenheit zu kontrollieren.

Der nach § 44 Abs. 3 WplG einzurichtende Vergütungskontrollausschuss hat gemäß § 18 Abs. 2 und 3 WplVergV bei der Überprüfung der Vergütungssysteme eine Unterstützerrolle einzunehmen – sowohl für Risikoträger, die keine Geschäftsleiter sind, als auch für Geschäftsleiter.

5.2 Gruppenweite Regelung

Ebenfalls in der finalen Version des WplVergV durchgesetzt hat sich die in § 18 normierte gruppenweite Regelung zur Vergütungsstrategie. Der Gesetzgeber hat zudem noch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs nicht nur auf in Mitglieds- sondern auch Vertragsstaaten der in der Europäischen Union ansässigen Unternehmen bewirkt. Eine abmildernde Wirkung entsteht jedoch durch die Ausnahme von dieser Regelung für nachgeordnete Unternehmen, welche wiederum selbst durch Vergütungsvorgaben nach Maßgabe andere Rechtsakte der Europäischen Union gebunden sind oder wären, wenn sie ihren Sitz in einem Vertragsstaat hätten.

6. Inkrafttreten

Die WplVergV ist am 12. Januar 2024 in Kraft getreten und ist ab diesem Zeitpunkt von den mittleren Wertpapierinstituten verpflichtend zu befolgen. Für bestehende Verträge mit Risikoträgern, Betriebs- und Dienstvereinbarungen oder betriebliche Übungen, die nicht mit der WplVergV im Einklang sind, müssen Wertpapierinstitute unverzüglich eine Anpassung vornehmen, soweit dies rechtlich möglich ist. Dies kann unmittelbaren Handlungsbedarf für betroffene Wertpapierinstitute zur Folge haben.

Für ausgewählte Regelungen wurde, anders als noch in den Vorentwürfen, erfreulicherweise eine Übergangsfrist mit Beginn des auf das Inkrafttreten folgenden Geschäftsjahres bis zum Ende des Geschäftsjahres des jeweiligen Wertpapierinstituts festgelegt. Dies betrifft insbesondere die Regelungen zu Abfindungen und Karenzentschädigungen sowie Halteprämien nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 WplVergV, besondere Vorgaben für variable Vergütungen aus § 8 WplVergV (d.h. insbesondere Leistungsbewertung, Instrumente, Zurückbehaltung, Malus/Clawback), die Anwendung der Kriterien für die Festsetzung des Bonuspools gemäß § 11 Abs. 2 S. 1, S. 2 und Abs. 3 WpIVergV sowie die Pflicht zur jährlichen internen Überprüfung der Vergütungssysteme nach § 14 WplVergV.

Nachdem nach langem Warten die regulatorischen Anforderungen an Vergütungssysteme von mittleren Wertpapierinstituten nunmehr feststehen, sollten diese möglichst zeitnah damit beginnen, eine Gap-Analyse durchzuführen und möglichen Anpassungsbedarf zu identifizieren, um die notwendigen Änderungen rechtzeitig implementieren zu können.