Betriebsräte im Profifußball?
Hertha BSC Berlin steht in den letzten Jahren nicht nur sportlich im Schatten von Union Berlin, sondern musste erneut den bitteren Gang in die 2. Bundesliga antreten. Mitte Mai dieses Jahres schien es dann erstmals – mutmaßlich aufgrund der befürchteten Einschnitte infolge der sportlichen Zweitklassigkeit – Bestrebungen in der Belegschaft zu geben, einen Betriebsrat gründen zu wollen. Laut Medienberichten ist das Thema Betriebsratsgründung bei Hertha BSC längst nicht vom Tisch.
Aus diesem Anlass skizziert der nachfolgende Beitrag, wann ein Betriebsrat gebildet werden kann, wen er repräsentiert und welche Auswirkungen ein Betriebsrat für einen Proficlub haben könnte.
Betriebsräte im Profifußball
Betriebsräte sind in der 1. und 2. Fußbundesliga kein Novum. Immerhin verfügen prominente Clubs, wie Borussia Dortmund, der HSV oder der FC Schalke 04 über einen Betriebsrat. Medial und arbeitsrechtlich fristen Betriebsräte im Profisport – ungeachtet der ihnen auf dem Papier zustehenden umfassenden Beteiligungsrechte – gleichwohl häufig ein Schattendasein. Neben potenziell tiefgreifenden Veränderungen in der Organisation eines Proficlubs im Falle der Wahrnehmung von Beteiligungsrechten durch einen Betriebsrat insbesondere im Hinblick auf die Lizenzspieler, betrifft dies auch die Beschäftigten, bspw. auf der Geschäftsstelle oder in Nachwuchsleistungszentren.
Betriebsratsgründung
Für die Gründung eines Betriebsrats bei einem Proficlub gelten dieselben Regeln wie für jede andere Betriebsratswahl.
Den Anknüpfungspunkt für die Durchführung einer Betriebsratswahl bildet stets eine betriebsratsfähige Organisation im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes („BetrVG“). Neben § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der auf den „klassischen“ Betrieb abstellt und nach dem der Betrieb über in der Regel mindestens fünf ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer, von denen drei wählbar sind, verfügen muss, bestehen gesetzliche Regelungen zum Umgang mit Betriebsteilen, Kleinstbetrieben und die Möglichkeit in einem Tarifvertrag oder ggf. in einer Betriebsvereinbarung abweichende Betriebsratsstrukturen zu vereinbaren. Um etwaige Wahlanfechtungen zu vermeiden, sollte idealerweise vor der Wahl Klarheit über die betriebsratsfähige Organisation geschaffen werden, was bei Zweifeln sowohl vor der Wahl als auch im Nachgang im Hinblick auf zukünftige Wahlen auf Antrag durch ein Arbeitsgericht geklärt werden kann (vgl. § 18 Abs. 2 BetrVG).
Die regelmäßigen Betriebsratswahlen sind kraft Gesetzes alle vier Jahre in der Zeit vom 1. März bis zum 31. Mai abzuhalten, allerdings kann ein Betriebsrat außerhalb dieses Zeitraums gewählt werden, wenn z.B. in einer betriebsratsfähigen Organisation noch kein Betriebsrat besteht. Ein Wahlvorstand wird als besonderes Wahlorgan insbesondere für die Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahl sowie die Feststellung des Wahlergebnisses gebildet. Der Wahlvorstand kann – je nach dem ob und welche betriebsverfassungsrechtlichen Gremien bereits vorhanden sind – durch den amtierenden Betriebsrat, den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat bestellt werden. Besteht keines der vorstehenden Gremien, können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft zu einer Betriebsversammlung einladen, auf der die Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer einen Wahlvorstand wählt. Schließlich kann ein Wahlvorstand in bestimmten Konstellationen auf Antrag von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft durch das Arbeitsgericht bestellt werden. Die hier nicht im Detail erörterte Wahl des Betriebsrats erfolgt sodann in geheimer und unmittelbarer Wahl nach den Wahlvorschriften des BetrVG sowie der Wahlordnung zur Durchführung des BetrVG.
Aus der Gegenwartsperspektive überrascht die geringe Anzahl von Betriebsräten bei Proficlubs als Wirtschaftsunternehmen, allerdings sind viele Proficlubs historisch aus einer Vereinsstruktur erwachsen und sind vermeintlich unter dem Radar der betrieblichen Mitbestimmung geflogen. Ebenso wenig sind die Beschäftigten verpflichtet, einen Betriebsrat zu gründen.
Beteiligungsrechte mit revolutionärer Auswirkung?
Sobald ein Betriebsrat wirksam errichtet worden ist, erlangt er umfassende Beteiligungsrechte (Informationsrechte, Anhörungs- und Vorschlagsrechte, Beratungsrechte und die (echten) Mitbestimmungsbestimmungsrechte). Die Zuständigkeit des Betriebsrats erfasst alle Beschäftigten mit Arbeitnehmereigenschaft mit Ausnahme der leitenden Angestellten nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG. Dies gilt auch für Proficlubs, da weder eine (gesetzliche) Privilegierung für diese existiert, noch der Betriebsrat als Kollegialorgan wirksam auf Mitbestimmungsrechte verzichten kann. Der Betriebsrat könnte bspw. für – mit dem Spielerrat vereinbarter oder seitens des Proficlubs einseitig vorgegebener – Mannschaftsprämien ein zwingendes Mitbestimmungsrecht aufgrund der mit der Mannschaftsprämie einhergehenden betrieblichen Lohngestaltung bezüglich der Verteilungsgrundsätze geltend machen. Spielertransfers, die aufgrund international variierender Transferfenster, Vertragsverhandlungen, verbandsrechtlicher Beteiligung und Medizinchecks, ohnehin mit einer hohen Komplexität einhergehen, unterfallen als Einstellung auf Seiten des neuen Proficlubs zudem der (personellen) Mitbestimmung. Ein Betriebsrat, der auf die Wahrung der personellen Mitbestimmungsrechte bei Spielertransfers besteht, ist bislang nicht in Erscheinung getreten. Gleichwohl könnten Proficlubs die derzeitige Praxis bei der Abwicklung von Spielertransfers bei ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats kaum aufrechterhalten. Ein ähnliches Szenario stellt sich im Falle der Kündigung des Chefcoachs, sofern es sich bei diesem nicht ausnahmsweise um einen leitenden Angestellten handeln sollte.
Zuständigkeit für Lizenzspieler, Coaches und weitere Beschäftigte
Da es sich bei Lizenzspielern im Bereich des Mannschaftsprofisports in aller Regel um Arbeitnehmer ohne Eigenschaft als leitende Angestellte handelt, sind diese von der Zuständigkeit eines Betriebsrats erfasst. Zwar nehmen einzelne Lizenzspieler aufgrund ihrer herausragenden spielerischen Fähigkeiten in einem Mannschaftsgefüge eine exponierte Stellung in sportlicher Hinsicht ein. Gleichwohl begründet der Einfluss eines Lizenzspielers auf den sportlichen Erfolg einer Mannschaft u.E. keine Eigenschaft als leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 BetrVG, da sie bspw. keine Aufgaben wahrnehmen, die für den Bestand oder die Entwicklung des Proficlubs insgesamt von Bedeutung sind. Nichts anderes dürfte für Chefcoaches gelten, die zwar regelmäßig die Trainingsinhalte, die Spieltaktik und Aufstellung der Mannschaft zu verantworten haben sowie bei Spielertransfer Einfluss nehmen können, allerdings darüber hinaus keine Kompetenzen nach § 5 Abs. 3 BetrVG wahrnehmen.
Arbeitszeit und Vergütung der Lizenzspieler im Lichte der Mitbestimmung
Der Profisport kennzeichnet sich durch volle Trainings- und Spielpläne, letztere werden in der Regel einseitig von den Verbänden vorgegeben. Die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts bezüglich des Beginns und des Endes der Arbeitszeit sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage erscheint mit dem Spiel- und Trainingsrhythmus im Profifußball kaum vereinbar. Konsequent gedacht, müsste der Proficlub dem Betriebsrat zwecks Zustimmungserteilung regelmäßig die Trainingspläne der Lizenzspieler vorlegen und könnte diese – bei fehlender Zustimmung – arbeitsrechtlich nicht wirksam gegenüber den einzelnen Lizenzspielern umsetzen. Dem Proficlub bliebe dann nichts anderes übrig, als eine Einigungsstelle anzurufen, was finanzielle Belastungen und Verzögerungen zur Folge hätte. Ebenso denkbar ist eine Konstellation, in der ein Betriebsrat seine Zustimmung zu einem seitens des Verbands festgelegten Spielplan verweigert. Im Hinblick auf die Lizenzspielerabteilung sind die existierenden Betriebsräte – soweit bekannt – bislang jedoch äußert zurückhaltend.
Betriebsrat – Chance und Folgerisiken
Neben den im öffentlichen Fokus stehenden Lizenzspielern und Coaches kann die Bildung eines Betriebsrats in einem Proficlub genutzt werden, um Arbeitsbedingungen und betriebliche Belange – idealerweise effizient – auf die Belange eines Proficlubs zugeschnitten zu gestalten. Proficlubs zählen teilweise zwischen 200 und 500 Beschäftigte, die beispielsweise auf der Geschäftsstelle, im Marketing und weiteren Business Services tätig sind.
Insgesamt reichen die mit der Gründung eines Betriebsrats verknüpften rechtlichen Folgen für den Proficlub weit über die Lizenzspieler hinaus und könnten, wenn ein Betriebsratsgremium von seinen Rechten Gebrauch machen würde, die Betriebsorganisation nachhaltig beeinflussen.