Equal Pay im Deutschen Profi-Fußball?
Die Berichterstattung rund um die Frauenfußball-WM Mitte dieses Jahres rückte ein gesellschaftspolitisch brisantes Thema in den Fokus: Die Vergütung der Nationalspielerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Counterparts.
Status Quo in Deutschland
Eine vergleichbar große Entgeltdiskrepanz zeichnet sich auf nationaler Ebene ab: Die Frauen der 1. Bundesliga verdienen im Schnitt 3.500 EUR/Monat. Die Gehälter der Männer in der 1. Bundesliga werden weitestgehend unter Verschluss gehalten, dürften aber zwischen 30.000 EUR/Monat und bis zu 500.000 EUR/Monat liegen, wenn man zusätzliche Zahlungen durch Auftritte und Gewinnprämien einrechnet.
Abseits politischer Debatten nimmt dieser Artikel nachfolgend eine arbeitsrechtliche Einordnung vor – mit Blick auf die 1. Bundesliga.
Equal-Pay-Grundsatz
Der Equal-Pay-Grundsatz ist, gestützt auf verschiedene gesetzliche Grundlagen, Bestandteil des deutschen Arbeitsrechts. Auf verfassungsrechtlicher Ebene ergibt sich aus Art. 3 Grungesetz (GG) in Verbindung mit dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern nicht von allgemein begünstigenden Normen ausschließen oder schlechter stellen darf als andere Arbeitnehmer, die in einer vergleichbaren Position sind. Auf einfachgesetzlicher Ebene sind darüber hinaus das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) einschlägig.
Nicht jede Ungleichbehandlung stellt eine Gesetzesverletzung dar. Vielmehr ist in einem ersten Schritt zu überprüfen, ob es sich um eine unmittelbare oder eine mittelbare Benachteiligung handelt und in einem zweiten Schritt, ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann. Liegt im Ergebnis keine Rechtfertigung vor, kann der Arbeitnehmer Auskunfts- und Ersatzansprüche geltend machen sowie ein Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht. Zudem ist die benachteiligende Entgeltvereinbarung in der Regel unwirksam.
Entgeltbenachteiligung und potenzielle Rechtfertigung?
Ob die Spielerinnen einen Entschädigungsanspruch und einen unmittelbaren Anspruch auf gleiche Vergütung haben, hängt davon ab, ob sich eine etwaig bestehende Ungleichbehandlung rechtfertigen lässt.
Entscheidend dafür, welche Anforderungen an eine Rechtfertigung zu stellen sind, ist, ob es sich bei der Entgeltdiskriminierung um eine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung handelt. Für die Bewertung, ob eine Diskriminierung vorliegt, wird jeweils eine Vergleichsperson herangezogen. Für die Spielerinnen der ersten Bundesliga sind das die Spieler der ersten Bundesliga.
Eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung gegenüber einem vergleichbaren Arbeitnehmer, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, ist anzunehmen, wenn die Benachteiligung direkt an das Merkmal des Geschlechts anknüpft, zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber entscheidet, die weiblichen Spieler schlechter zu bezahlen als die männlichen, allein aus dem Grund, dass diese weiblich sind. Die Zugehörigkeit zum Geschlecht müsste ausdrückliches Differenzierungskriterium sein.
Ob die Spielerinnen gleiche oder gleichwertige Arbeit im Vergleich zu ihren männlichen Counterparts erbringen, hängt von den ausgeführten Tätigkeiten ab. Für gleichwertige Arbeit ist eine Gesamtheit von Faktoren entscheidend – Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen sowie Arbeitsbedingungen. Die Bewertung erfolgt unabhängig von der Qualität der konkreten Leistung.
Alleiniger Rechtfertigungsgrund für eine unmittelbare Benachteiligung ist das Vorliegen unterschiedlicher beruflicher Anforderungen. Die Art der Tätigkeit und die Ausübungsbedingungen dürften für Männer und Frauen allerdings identisch sein. Eine unmittelbare Benachteiligung, die allein auf das Geschlecht der Profi-Fußballer abstellt, wäre daher ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Eine mittelbare Entgeltbenachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Beschäftigte wegen des Geschlechts gegenüber Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts in Bezug auf das Entgelt in besonderer Weise benachteiligen können.
Scheinbar neutrales Kriterium ist die Art des Wettbewerbes. Es handelt sich um unterschiedliche Wettkämpfe, die das Publikumsinteresse in einem sehr unterschiedlichen Maße wecken. Während durchschnittlich 40.000 Zuschauer die Spiele der Herren in der 1. Fußball-Bundesliga in der Saison 2022/23 besuchten, waren es in der 1. Fußball-Bundesliga der Frauen rund 2.800 Besucher.
Anknüpfungspunkt der unterschiedlichen Behandlung ist demnach die unterschiedliche Popularität der Wettkämpfe, womit nur eine mittelbare Benachteiligung vorliegt. Die Annahme einer unmittelbaren Benachteiligung kann mithin nicht überzeugen.
Auch eine mittelbare Benachteiligung bedarf jedoch einer Rechtfertigung, die Anforderungen daran sind geringer. Die Ungleichbehandlung kann durch objektive Faktoren sachlich gerechtfertigt sein, die nicht auf einer Geschlechterdiskriminierung fußen; insbesondere arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien können ein unterschiedliches Entgelt begründen.
Als sachlicher Rechtfertigungsgrund könnte die Profitabilität der Wettbewerbe herangezogen werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Popularität steht. Die Vereine und Verbände haben ein berechtigtes, unternehmerisches Interesse daran, den Wettbewerbsteilnehmern ein höheres Entgelt zu zahlen, die höhere Einnahmen generieren.
Laut Saisonreport für 2021/22 wurden durch die 1. Männer-Bundesliga Gesamteinnahmen von 3,47 Milliarden Euro erzielt, während die 1. Frauen-Bundesliga nur 17 Millionen Euro generiert hat. Diese Einnahmendifferenz ist Resultat der unterschiedlichen Popularität und führt zu den zu Beginn dargelegten Gehaltsunterschieden zwischen den männlichen und weiblichen Spielern.
Setzt man die Gehälter und die generierten Einnahmen der Frauen in der 1. Bundesliga ins Verhältnis zueinander und vergleicht dieses mit den zu den Einnahmen proportionalen Gehältern der Männer, so ist eine Ungleichbehandlung der Frauen nicht zu erkennen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
Die Anknüpfung an die Profitabilität ist dem Sport auch sonst nicht fremd, wie etwa auch der drastische Gehaltsunterschied zwischen den (männlichen) Erstligisten beim FC Bayern München und den (männlichen) Erstligisten beim 1. FC Köln zeigt.
Im Ergebnis kann die Annahme einer unmittelbaren Benachteiligung nicht überzeugen. Die Zahlung eines geringeren Gehaltes knüpft nicht unmittelbar an das Merkmal des Geschlechts an, sondern vielmehr an die Popularität der Wettbewerbe. Die daraus folgende unterschiedliche Bezahlung, die als eine mittelbare Entgeltbenachteiligung betrachtet werden kann, rechtfertigt sich wiederum durch die unterschiedliche Profitabilität der Wettbewerbe.
Ausblick
Auch der Profi-Fußball unterliegt den Grundsätzen des Arbeitsrechts. So politisch unpopulär es auch erscheinen mag, die durch die ungleiche Entlohnung verursachte Diskriminierung kann durch die unterschiedliche Popularität und Profitabilität der Wettbewerbe rechtlich gerechtfertigt werden.
Das ist jedoch nicht die gesamte Wahrheit. Fest steht, dass diesem Ergebnis größere, systematische Probleme zugrunde liegen. Geschlechterspezifische soziale und kulturelle Normen führen zu geringeren Investitionen in den Frauensport, geringeren Sendezeiten von Frauenspielen und einem schwierigeren Zugang zu Sportstipendien. All das hat letztlich Auswirkungen auf die Profitabilität des Frauenfußballs. In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, dass die US-Frauennationalmannschaft gegen den US Fußball-Bund eine Klage auf gleiche Entlohnung angestrengt hat und nach 6 Jahren durch einen Vergleich eine erhebliche Summe zugesprochen bekommen hat.
Unternehmen sollten, durch die öffentliche Diskussion im Profi-Fußball sensibilisiert, ein besonderes Augenmerk auf „Equal Pay“ legen. Alle Arbeitgeber trifft eine Pflicht zur gleichen Vergütung bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. In anderen Branchen, abseits vom Sport, ist es nicht möglich sich auf ein unterschiedliches Maß an Profitabilität zu berufen. Angesichts des öffentlichen Interesses an der Thematik und der im Juni 2023 erlassenen Entgelttransparenz-Richtlinie der EU ((EU) 2023/970), die bis zum 6. Juni 2026 in nationales Recht umzusetzen ist, entsteht zunehmend Bedarf, Begünstigungen auf ihre rechtliche Wirksamkeit zu überprüfen.
Da verschiedene Industriesektoren im Begriff sind, die Gender Pay Gap Problematik anzugehen und ein diverses und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, um die sich entwickelnden Investorenerwartungen zu erfüllen, könnte sich auch der Anpassungsdruck auf die Sportwelt erhöhen. Soziale Argumente, wie Moralität, Gleichheit und Fairness, spielen eine große Rolle.
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