Lohntransparenz – Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit!
Hintergrund
Noch immer erhalten Frauen nicht dieselbe Vergütung wie ihre männlichen Kollegen. In Deutschland lag die sog. Lohnlücke, d.h. der durchschnittliche Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen, laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2022 bei 18%. Zwar sinkt dieser Wert unter Berücksichtigung vergleichbarer Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien auf 7%, gleichwohl besteht damit in Deutschland noch immer erheblicher Nachholbedarf in Sachen Lohngleichheit. Da dies jedoch nicht nur auf Deutschland sondern auch auf viele andere europäische Länder zutrifft, hat es sich die Europäische Union zur Aufgabe gemacht, dieser Ungleichheit entgegenzuwirken. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben daher die Richtlinie (EU) 2023/970 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen“ (EntgTransp-RL) verabschiedet Die EntgTransp-RL ist am 6. Juni 2023 in Kraft getreten. Sie soll dazu beitragen, die derzeitigen Verdienstunterschiede zulasten von Frauen endgültig zu überwinden, was das bereits 2017 in Deutschland in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) bisweilen nicht geschafft hat. Die Maßnahmen der EntgTransp-RL gehen teilweise deutlich über die Regelungen des EntgTranspG hinaus.
Zwar bedarf es noch der Umsetzung in nationales Recht ehe sich die Regelungen der EntgTransp-RL auf private Unternehmen auswirken werden. Da die Richtlinie jedoch den Rahmen für die nationale Gesetzgebung vorgibt, ist bereits jetzt absehbar, worauf sich Unternehmen zukünftig einstellen müssen. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die zu erwartenden Neuregelungen im Vergleich zu den bereits existierenden nationalen Vorschriften. Inhalte der EntgTransp-RL
- Entgelttransparenz für Stellenbewerbende und kein Fragerecht für Arbeitgeber
Anders als das EntgTranspG nimmt die EntgTransp-RL (im Folgenden als Richtlinie bezeichnet) bereits den Bewerbungsprozess in ihren Anwendungsbereich auf.
Stellenbewerbende sollen nach der Neuregelung zukünftig das Recht haben, von potenziellen Arbeitgebern Informationen darüber zu erhalten, wie „das auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegseinkommen für die betreffende Stelle“ ausgestaltet ist. Das Unternehmen kann diesem Erfordernis entweder durch einen entsprechenden Vermerk in der Stellenanzeige oder aber durch einen individuellen Hinweis während des Bewerbungsgesprächs nachkommen. Auf diese Weise sollen fundierte und transparente Verhandlungen über das Entgelt gewährleistet werden.
Die bislang nach nationalem Recht umstrittenen Frage, ob Unternehmen Bewerbende nach ihrem vorherigen Gehalt fragen dürfen, wird durch die Richtlinie zudem abschlägig beschieden. Auf Grundlage einer ausdrücklichen Regelung in der Richtlinie dürfen Unternehmen Bewerbende in Zukunft nicht nach ihrer Entgeltentwicklung in ihren laufenden oder früheren Beschäftigungsverhältnissen befragen.
- Auskunftsrecht für Arbeitnehmende
Zwar ist dem deutschen EntgTranspG ein Auskunftsrecht des einzelnen Arbeitnehmenden über das Durchschnittseinkommen im Betrieb grundsätzlich nicht fremd; dessen Voraussetzungen sind jedoch mitunter der Grund, weshalb sich das EntgTranspG bislang als zahnloser Tiger erwiesen hat. Die Richtlinie wird zukünftig mehrere Voraussetzungen für einen solchen Anspruch entfallen lassen und somit für ein umfassendes Auskunftsrecht sorgen. So dürfte das Auskunftsrecht zukünftig nicht mehr nur in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Arbeitnehmenden bestehen und es dürfte auch nicht mehr erforderlich sein, dass es mindestens sechs Arbeitnehmende des anderen Geschlechts auf der gleichen Stufe gibt. Der Gegenstand der Auskunft soll künftig ferner nicht mehr der Medianlohn, sondern das Durchschnittseinkommen von den Mitarbeitenden, die gleiche bzw. gleichwertige Arbeit verrichten, sein.
Arbeitgeber müssen der Richtlinie entsprechend alle Arbeitnehmende jährlich über ihr Auskunftsrecht und über die Schritte, die Arbeitnehmende unternehmen können, um dieses Recht wahrzunehmen, unterrichten.
- Berichterstattungs-, Auskunfts- und Abhilfepflicht
Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten sollen künftig dazu verpflichtet werden, über das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu berichten. Der Zeitpunkt der erstmaligen Berichtspflicht und der Turnus der folgenden Berichterstattungen sind abhängig von der Anzahl der Arbeitnehmenden im Unternehmen. Arbeitgeber mit mehr als 250 Arbeitnehmenden sollen bspw. ab dem 7. Juni 2027 jährlich berichten. Die in der Richtlinie näher beschriebenen notwendigen Informationen für den Bericht sind der zuständigen nationalen Behörde zur Veröffentlichung zu übermitteln.
Die Berichterstattungspflicht wird von einem Auskunftsrecht der Arbeitnehmenden, Arbeitnehmervertretungen, Arbeitsaufsichtsbehörden sowie Gleichbehandlungsstellen begleitet, die von den Arbeitgebern zusätzliche Klarstellungen und Einzelheiten zu allen bereitgestellten Daten, einschließlich Erläuterungen zu etwaigen geschlechtsspezifischen Entgeltunterschieden, verlangen können. Sollte sich danach herausstellen, dass geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt sind, sollen Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist in enger Zusammenarbeit mit den genannten Akteuren Abhilfe schaffen. Im Falle eines Lohngefälles von mindestens 5% sollen sie zudem zur Vornahme einer gemeinsamen Entgeltbewertung mit den Arbeitnehmervertretungen verpflichtet werden.
- (Kollektive) Rechtsdurchsetzung
Eine Regelung, nach welcher Interessenverbände zur Unterstützung von betroffenen Arbeitnehmenden an Gerichts- oder Verwaltungsverfahren zur Entgeltgleichheit teilnehmen oder gar im Namen des Arbeitnehmenden handeln können, gibt es auf nationaler Ebene bislang nicht. Auch dies wird sich durch die Richtlinie zukünftig ändern. Der Zugang zur gerichtlichen Kontrolle soll somit vereinfacht und eine nachhaltigere Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmenden gewährleistet werden.
Die Rechtsdurchsetzung soll ferner durch eine Beweislastumkehr erleichtert werden. Zukünftig sollen nicht mehr die Arbeitnehmenden nachweisen müssen, dass sie einer Entgeltdiskriminierung unterliegen. Vielmehr müssen Arbeitgeber nachweisen, dass keine derartige Diskriminierung besteht. Dieses Erfordernis zwingt Unternehmen nicht zuletzt auch zu einer transparenten und anhand von objektiven Kriterien nachvollziehbaren Dokumentation ihrer Vergütungsstrukturen.
- Schadensersatz, Entschädigung und Sanktionen
Sofern Arbeitgeber die in der Richtlinie statuierten Rechte oder Pflichten verletzen und Arbeitnehmende dadurch einen Schaden erleiden, sollen diese Anspruch auf Schadensersatz bzw. Entschädigung haben. Dieser soll die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundener Boni oder Sachleistungen sowie den Schadensersatz für entgangene Chancen oder immateriellen Schadensersatz umfassen. Eine vergleichbare Regelung ist im deutschen Recht bislang in § 15 Abs. 1 und 2 AGG zu finden. Sanktionen aufgrund von Verstößen gegen Pflichten des EntgTranspG sind dem deutschen Recht hingegen bisher unbekannt. Auch dies wird sich mit der Umsetzung der Richtlinie ändern. Der europäische Gesetzgeber verpflichtet den nationalen Gesetzgeber, Sanktionen mit tatsächlich abschreckender Wirkung einzuführen und erwähnt hierbei ausdrücklich auch Geldbußen.
Praxishinweise
Wie bereits eingangs erwähnt, besteht derzeit kein akuter Handlungsbedarf für Unternehmen mit Blick auf die Lohntransparenz, da die Regelungen der EntgTransp-RL noch einer Umsetzung in nationales Recht bedürfen bevor sie konkrete Auswirkungen auf Unternehmen haben. Hierfür hat der deutsche Gesetzgeber nun drei Jahre Zeit.
Nichtsdestotrotz ist Unternehmen angesichts der bevorstehenden unausweichlichen Änderung der nationalen Rechtlage zu raten, ihre bestehenden Vergütungsstrukturen bereits jetzt zu überprüfen und etwaigen Anpassungsbedarf mit Blick auf die Richtlinie zu evaluieren. Dabei sollte insbesondere auch eine sorgfältige Dokumentation der Vergütungsstrukturen, einschließlich etwaiger objektiver Kriterien, die eine Differenzierung bei der Vergütung ermöglichen sollen, in den Blick genommen werden. Dies ist sogar bereits jetzt von Relevanz, um etwaigen zukünftigen Auskunftsersuchen gerecht werden zu können.
Für weitere Informationen darüber, wie die Linklaters Diversity Faculty Ihr Unternehmen dabei unterstützen kann, über rechtliche und regulatorische Entwicklungen im Bereich Diversity, Equity & Inclusion auf dem Laufenden zu bleiben, wenden Sie sich bitte an Matthew Devey, Yukiko Hitzelberger-Kijima, Sophie Kruppa und/oder Ihren üblichen Linklaters-Kontakt.